Sommersemester 2019
Proseminar: Diathese: Passiv, Reflexiv/Medium, Applikativ, Kausativ im Vergleich der Unions-Amtssprachen
Dr. Johanna Mattissen-Piaszenski
Freitag, 10-11:30 Uhr
-1.A05 (Petrarca-Institut)
Im Seminar wird Diathese als grammatische Kategorie des Verbs erarbeitet. Neben Aktiv verfügen die europäischen Sprachen über unterschiedliche Paletten an weiteren Diathesen, die in Form, Funktionalität und Übersetzungsäquivalenten vorgestellt werden: Passiv, Reflexiv, Reziprok, Medium, Applikativ und Kausativ.
Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die möglichen Blickwinkel auf die Funktion gelegt. Was wird, z.B., durch Passiv auf syntaktisch-textkonstitutiver, semantischer und pragmatischer Ebene erreicht?
Ebenso werden quantitative und qualitative Analysen mit verschiedenen Rechtstextsorten korreliert, um dabei auch jurilinguistische Darstellungsformen einzuüben.
Hauptseminar: Auslegung des mehrsprachig verbindlichen Unionsrechts in der Rechtsprechung des EuGH. Erörterung von Urteilen und Schlussanträgen des Jahres 2018 unter rechtslinguistischem Aspekt
Prof. Dr. Isolde Burr-Haase
Mittwoch, 18:45-20:15 Uhr
Bauwens-Gebäude 0.A01
Der Schwerpunkt des Hauptseminars liegt in der Analyse von EuGH-Entscheidungen von 2018 sowie einiger relevanter Schlussanträge dieses Zeitraums. Es richtet sich an Studierende der Europäischen Rechtslinguistik und der Rechtswissenschaften. In transdisziplinärer Weise Zusammenarbeit werden Fragen der juristischen Auslegung im Europarecht und rechtslinguistische Vorgehensweisen erörtert, die der Mehrsprachigkeit sowie der Übersetzungstätigkeit eine besondere Rolle zuweist. Implizit ist damit auch der Blick auf die Rezeption von EU-Rechtstexten im nationalen Recht gegeben, die insbesondere in Vorabentscheidungsersuchen angesprochen sind. Ein wichtiger Aspekt stellt die linguistische, sprachvergleichende Betrachtungsweise als Auslegungselement dar. Seit der von juristischer Seite gegebenen maßgeblichen Publikation der Arbeit von Isabel Schübel-Pfister (2004) (
Sprache und Gemeinschaftsrecht. Die Auslegung der mehrsprachig verbindlichen Rechtstexte durch den Europäischen Gerichtshof. Berlin: Duncker) hat sich die Anzahl der EU-Mitgliedsländer und der offizielle EU-Sprachen mehr als verdoppelt. Die wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema ist sehr umfänglich geworden und weist auf die stärkere Beachtung einer Europäischen Rechtslinguistik, wie sie u.a. in folgende Arbeiten zum Ausdruck kommt: Joxerramon Bengoetxea (2011) („Multilingual and Multicultural Legal Reasoning: The European Court of Justice“, in: Anne Lise Kjær &Silvia Adamo (Hrsg.): Linguistic Diversity and European Democracy, Farnham: Ashgate; S. 97-122), von Cornelis J.W. Baaij (2012) („Fifty Years of Multilingual Interpretation in the European Union, in: Peter M. Tiersma &Lawrence M. Solan (Hrsg.): The Oxford Handbook of Language and Law, Oxford: Oxford University Press, S. 217-231 sowie von Christoph Sobotta (2015) („Die Mehrsprachigkeit als Herausforderung und Chance bei der Auslegung des Unionsrechts“, in: ZERL 2015 [urn:nbn:de:0009-24-40011]: http://www.zerl.uni-koeln.de/christophsobotta/2015/mehrsprachigkeit-unionsrecht/ [Stand: 30.11.2018]) oder Friederike Zedler (2015): Mehrsprachigkeit und Methode: der Umgang mit dem sprachlichen Egalitätsprinzip im Unionsrecht. Baden-Baden: Nomos.
Um den stärkeren Praxisbezug der Thematik zu veranschaulichen, ist das Seminar in mehrere Phasen eingeteilt. Bis Anfang Juni finden die Seminarsitzungen und alternierend die betreute Gruppenarbeit wöchentlich zu den oben angegebenen Zeiten statt. Kernstück dieser Lehrveranstaltung ist ein Tagesseminar am Anfang Juli 2019 beim EuGH in Luxemburg sein, wo wir die im Seminar behandelte Thematik in Einzelvorträgen mit Praktikern aus verschiedenen Kabinetten, den Übersetzungsabteilungen sowie dem Wissenschaftlichen Dienst des EuGH diskutieren werden. Eine Abschlusssitzung am Ende des Sommersemesters wird die Diskussionsergebnisse für die Ausarbeitung aufbereiten.
Von den Seminarteilnehmenden wird eine rege Beteiligung, die Bereitschaft zur Vorbereitung von Kursmaterialien sowie die Übernahme eines Referats erwartet, dessen Thesenpapier Bestandteil des in Luxemburg vorgelegten Dossiers sein wird. Das Referat wird im Anschluss an die Sitzung im EuGH zu einer Hausarbeit ausgebaut, deren Fertigstellung während der darauffolgenden vorlesungsfreien Zeit (Abgabe: 15. September 2019) erfolgt.
Vorlesung: Europarecht: Rechtsetzungsverfahren - Vertragsbestimmungen, Akteure und die konkrete Ausgestaltung der Verfahren in der Praxis
Ellen Heinemann, M.A.
Dienstag, 14-15:30 Uhr
-1.A05 (Petrarca-Institut)
Wie kommen EU-Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse zustande? Ausgehend von den Bestimmungen der Verträge werden die EU-Rechtsetzungsverfahren im Einzelnen vorgestellt. Insbesondere die konkrete Ausgestaltung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens u.a. durch interinstitutionelle Vereinbarungen, die die Vertragsbestimmungen ergänzen und umsetzen, und die neuesten Entwicklungen werden anhand ausgewählter Texte und praktischer Beispiele der verschiedenen Verfahrensschritte beleuchtet. Weitere Themen u.a.: besondere Gesetzgebungsverfahren; Initiativrecht einschließlich der europäischen Bürgerinitiative; Verhandlungssprache in Trilogen und Finalisierung von Rechtsakten in allen Amtssprachen; einschlägige Rechtsprechung des EuGH; Europa der zwei Geschwindigkeiten - Opt-out und verstärkte Zusammenarbeit; Transparenz der Gesetzgebungsverfahren und der Umgang mit Lobbyisten.
Frau Ellen Heineman hat an maßgeblicher Stelle in der Direktion für Rechtsakte des Europäischen Parlaments in Brüssel über Jahre hinweg die EU- Gesetzgebungsverfahren begleitet und verantwortet. Sie ist eine wichtige Gewährsperson aus der Praxis, die dadurch einen weiteren Kreis von Studierenden anspricht.
Vorlesung: Modalität in der Rechtssprache im Sprachvergleich
Prof. Dr. Katrin Schmitz
Dienstag, 12-13:30 Uhr
Hauptgebäude, Hörsaal XVIII
Mit ihren 24 offiziellen Sprachen ist die Europäische Union (EU) hochgradig mehrsprachig. Entsprechend entwickelt sich eine gemeinsame EU-Rechtssprache in mehrsprachiger Ausprägung immer weiter (woran Rechtslinguisten wesentlich beteiligt sind, vgl. Burr-Haase 2016: 65 f., Hargitt 2013 und Künnecke 2013 zur Entstehung dieses neuen Berufsbilds). Aufgrund der Schutzbedingungen für die sprachliche Vielfalt als auch der Sprachengarantie in der im Jahr 2000 verabschiedeten Europäische Grundrechte-Charta (GRCh) müssen alle EU-Rechtstexte in den 24 Sprachen gleichwertige Versionen mit gleicher rechtsverbindlicher Wirkung sein. Die Verfassung und Übersetzung von EU-Rechtstexten stellen dabei eine schwierige Balance zwischen sprachspezifischen Präferenzen und Harmonisierung in der Produktion der nicht-divergenten Versionen jedes Dokuments in 24 Vertragssprachen dar (vgl. Burr-Haase 2016)
Vor diesem Hintergrund zielt diese Vorlesung generell auf die Vertiefung der Kenntnisse struktureller Eigenschaften der romanischen Rechtssprachen ab. Der spezielle Fokus der Vorlesung liegt dabei auf dem Phänomen der Modalität : In der Linguistik bezeichnet Modalität eine besondere Art von sprachlicher Bedeutung, die sich z.B. mit Ausdrücken wie den Modalverben müssen, können, mit Adverbien wie möglicherweise, vielleicht, und anderen Ausdrücken (aber auch manchmal ohne äußere Kennzeichen) einstellt. Besonders an diesen modalen Aussagen ist, dass nicht Einzeltatsachen der wirklichen Welt festgestellt werden, sondern andersartige oder weitergehende Aussagen gemacht werden, die auch Vergleiche verschiedener „Optionen“ enthalten, z.B.:
(1) a. Tatsachenbehauptung: Der Fuchs hat die Gans gestohlen.
b. Modalisierte Aussage: Der Fuchs könnte die Gans gestohlen haben.
Unter den verschiedenen Typen der Modalität ist für (EU-)Rechtstexte insbesondere die deontische Modalität (< gr. Deon ‚Pflicht‘) von großer Bedeutung, die sowohl eine Pflicht oder Notwendigkeit als auch eine Möglichkeit und ein Verbot einschließen können (vgl. u.a. Nowak-Michalska 2013, Jaskot & Wiltos 2017), hier an einem deutschen Beispiel der Alltagssprache:
(2) a. Du musst das Fenster öffnen (Verpflichtung/Befehl)
b. Du darfst das Fenster nicht öffnen (Verbot, Abwesenheit einer Möglichkeit)
c. Du kannst das Fenster öffnen (Anwesenheit einer Möglichkeit)
d. Du brauchst das Fenster nicht zu öffnen (Abwesenheit einer Verpflichtung)
Im Rahmen der Vorlesung wollen wir die unterschiedlichen Typen der Modalität mit ihren sprachlichen Realisierungen im Vergleich der romanischen Sprachen (Französisch, Italienisch, Spanisch) untereinander sowie mit dem Deutschen und Englischen genauer kennenlernen und insbesondere ihre Verwendung in (EU-)Rechtstexten untersuchen.
ERL-Kolloquium
Nadine Schreiber, M.A.
Dienstag, 18:45- 19:15 Uhr
-1.A05 (Petrarca-Institut)
Das Kolloquium bietet ein Zusammenführen juristischer, sprachwissenschaftlicher sowie sprachpraktischer Studieninhalte zur Ausarbeitung spezifisch rechtslinguistischer Vorgehensweisen. Nach einer kurzen Einführung in das EU-Recht, insbesondere auch in das unionsrechtliche Gesetzgebungsverfahren, werden wir das Konzept bzw. die Konzepte der Mehrsprachigkeit im EU-Recht in den Blick nehmen. Ausgehend von Art. 55 EUV werden wir sowohl die institutionellen Vorgaben der Mehrsprachigkeit auf EU-Ebene als auch die damit verbundenen Herausforderungen sowie deren Grenzen untersuchen. Die daraus hervorgehenden Erkenntnisse dienen als erste Grundlage für vergleichend-textlinguistische Analysen. Weiterführend folgt anhand ausgewählter Beispiele der EU-Rechtsetzung und Auslegung des EU-Rechts die Schulung in rechtslinguistischer Analyse. Darüber hinaus sind die Techniken der wissenschaftlichen Recherche Gegenstand des Kolloquiums (z.B. der kritische Umgang mit Quellen unter Nutzung relevanter Datenbanken). Für den Leistungsnachweis sind erforderlich: die aktive Teilnahme, Vor- und Nachbereitung der Sitzungen sowie die Abfassung einer Stellungnahme zu einem wissenschaftlichen Textes bzw. die kurze schriftliche Analyse eine Textbeispiels und die Übernahme eines 10minütigen Kurzvortrags.