Wintersemester 2017 / 2018
Normsetzung im EU-Recht
Prof. Dr. Isolde Burr-Haase
Mittwochs, 18:45-20:15.
Hauptseminar.
In Zusammenarbeit mit der Direktion Rechtsakte des Europäischen Parlaments in Brüssel untersuchen wir Prinzipien der Normsetzung im EU-Recht anhand jüngster Verordnungen im multilingualen Vergleich, die mit den Prätexten von der Direktion Rechtsakte zur Verfügung gestellt werden. Das Seminar teilt sich in zwei Teile; jeweils mittwochs finden Seminarsitzungen in Abwechslung mit selbständiger Arbeit in Gruppen statt. In der 2. Hälfte Januar 2018 (der genaue Tag wird noch bekannt gegeben) erörtern wir die bislang herausgearbeiteten Ergebnisse in einem Tagesseminar in der Direktion Rechtsakte des EP in Brüssel und diskutieren sie mit Akteuren aus Brüssel und Luxemburg, die mit den jeweiligen Texten befasst waren. Von den SeminarteilnehmerInnen wird eine rege und regelmäßige Beteiligung in den Sitzungen, die Bereitschaft zur Vor- und Nachbereitung von Kursmaterialien sowie die Übernahme eines Referats erwartet, das zu einer Hausarbeit ausgearbeitet werden kann. Voraussetzung der Teilnahme ist das Rechtslinguistische Kolloquium. Da das Tagesseminar in Brüssel stattfindet und in dem Bus dorthin nur eine beschränkte Zahl der Mitfahrgelegenheiten besteht, ist die Teilnehmerzahl für die Rechtslinguisten und Juristen auf 25 beschränkt. Zur vorbereitenden Lektüre werden empfohlen: Europäische Kommission / Generaldirektion Übersetzung (Eds.), Study on lawmaking in the EU multilingual environment. Luxemburg 2010 [http://bookshop.europa.eu/de/study-on-lawmaking-in-the-eu-multilingual-environment-pbHC3110678/ ]; Andreas Lötscher (2016): „Die (Un-) Verständlichkeit von Gesetzen – eine Herausforderung für die Gesetzesredaktion“, [http://www.zerl.uni-koeln.de/andreas-loetscher/2016/verstaendlichkeit-von-gesetzen/ ]; Friederike Zedler (2015): Mehrsprachigkeit und Methode. Der Umgang mit dem sprachlichen Egalitätsprinzip im Europarecht. Baden-Baden: Nomos.
Rechtslinguistisches Kolloquium
Prof. Dr. Burr-Haase
Mittwochs, 12:00-13:30
-1.A05 (Petrarca-Institut)
Das Kolloquium bietet ein Zusammenführen juristischer, sprachwissenschaftlicher und sprachpraktischer Studieninhalte zur Ausarbeitung spezifisch rechtslinguistischer Vorgehensweisen. Nach einer kurzen Einführung in das EU-Recht erarbeiten wir die institutionellen Vorgaben der Mehrsprachigkeit am Beispiel von Art. 55 EUV. Dies liefert erste Grundlagen für vergleichend-textlinguistische Analysen. Nach einem Überblick über das institutionelle Gefüge der EU wird die sprachliche Implikation anhand des Sprachenregimes im Sekundärrecht verdeutlicht. Weiterführend folgt anhand ausgewählter neuerer Beispiele der EU-Rechtsetzung und Auslegung des EU-Rechts die Schulung in rechtslinguistischer Analyse. Eine weitere Grundlage rechtslinguistischen Arbeitens stellen die Techniken der wissenschaft-lichen Recherche dar (z.B. der kritische Umgang mit Quellen unter Nutzung relevanter Datenbanken). Für den Leistungsnachweis sind erforderlich: die aktive Teilnahme, Vor- und Nachbereitung der Sitzun-gen sowie Übernahme einer kurzen schriftlichen Analyse eines vorgegebenen Textbeispiels bzw. die Kurzanalyse eines wissenschaftlichen Textes.
Textproduktion im EU-Recht: Rechtsetzung und Verständlichkeit
Prof. Dr. Burr-Haase
Dienstags, 10-11:30
-1.A05 (Petrarca-Institut)
Hauptseminar.
In den vergangenen Jahren wurde in Forschung, Lehre und Praxis verstärkt die Verständlichkeit von Rechtstexten – insbesondere auf EU-Ebene – thematisiert. S. u.a. das „Dritte europäische Symposium zur Verständlichkeit von Rechtsvorschriften“, Berlin 3.-4. November 2016 (S, A. Hartmann in LeGes 2017, 1, s. 131-137). Angeregt durch dort gegebenen Diskussionen wollen wir uns mit Fragen und den Legaldefinitionen und Diskursstrukturen von EU-Rechtstexten befassen.
Kontrastive Analyse von sprachlichen Strukturen der romanischen Sprachen in nationalen und EU-Kontexten
Dr. Katrin Schmitz
Dienstag, 12-13:30
Philosophikum Hörsaal H80
Vorlesung
Mit ihren 24 offiziellen Sprachen ist die Europäische Union (EU) hochgradig mehrsprachig (unabhängig von der individuellen Mehrsprachigkeit vieler, aber noch längst nicht aller Unionsbürger in den Mit-gliedstaaten). Entsprechend entwickelt sich eine gemeinsame EU-Rechtssprache in mehrsprachiger Ausprägung immer weiter (woran Rechtslinguisten wesentlich beteiligt sind, vgl. Burr-Haase 2016: 65 f.). Eine zentrale Etappe bildet dabei für alle Unionsbürger die im Jahr 2000 verabschiedete Europäische Grundrechte-Charta (GRCh) , die z.B. in Artikel 21 die sprachliche Vielfalt als wesentliches Merkmal der europäischen Identität und Sprache als unzulässiges Diskriminierungselement festlegt und in Artikel 41 Abs. 4 die folgende Sprachengarantie gibt: „Jede Person kann sich in einer der Sprachen der Verträge an die Organe der Union wenden und muss eine Antwort in derselben Sprache erhalten“ (vgl. Burr-Haase 2016: 66). Entsprechend müssen alle EU-Rechtstexte in den 24 Sprachen gleichwertige Versionen mit gleicher rechtsverbindlicher Wirkung sein. Wie kann dies in der täglichen Praxis der Rechtsentwicklung der EU-Institutionen und der Rechtsprechung am Europäischen Gerichtshof (EuGH) funktionieren? Dabei spielen direkte und Relais-Übersetzungen v.a. aus dem Englischen (Rechtsent-wicklung) und dem Französischen (Arbeitssprache des EuGH), zumeist im Wechselspiel mit der Texter-stellung in mehrsprachigen Experten-Kommissionen, eine zentrale Rolle (vgl. Details dieser Prozesse in Burr 2013, Burr-Haase 2016). Der EuGH arbeitet dabei mit der Übersetzung zwischen der Beratungs-sprache Französisch und den Pivot-Sprachen Deutsch, Englisch, Spanisch und Italienisch – mithin spielen also romanische Sprachen eine zentrale Rolle. Bei den vorgenannten Übersetzungsvorgängen stellen sich zahlreiche Herausforderungen für alle Beteiligten; nicht zuletzt ist die terminologische Über-schneidung von Rechtskonzepten und ihrer jeweiligen Versprachlichung aus dem nationalen Recht und dem EU-Recht ein großes Problem (vgl. u.a. Šarčević 2015).
Vor diesem Hintergrund zielt die Vorlesung auf die Vertiefung der Kenntnisse der nationalen und der EU-Terminologie sowie struktureller Eigenschaften der romanischen Rechtssprachen, die zudem mit den jeweiligen Alltagssprachen und mit dem Deutschen und Englischen in Bezug gesetzt werden. An-hand von EU-Rechtstexten (v.a. der GRCh) werden zentrale, potentiell mehrdeutige, Strukturen kon-trastiv analysiert, wobei die ausgewählten Phänomene von der Wortebene über die Satzebene bis hin zur Textebene reichen, d.h. vom polysemen Wort bis zur Zusammenschau verschiedener Formulierun-gen innerhalb und zwischen einander zitierenden Rechtstexten. Die kontrastive Analyse zielt auf vertiefte Kenntnis dieser Strukturen, die es ERL-Studierenden ermöglicht, in Übersetzungsprozessen ungewollte Interpretationsspielräume zu vermeiden, die insbesondere durch aufzudeckende Schein-Konvergenzen oder gar Divergenzen der einzelsprachlichen Versionen entstehen können (vgl. Burr-Haase 2016: 74 ff.), während Romanisten und Lehramtsstudierende diese Kenntnisse für Spracherwerbs- und Sprachvermittlungsprozesse, insbesondere zur Vermeidung lexikalischer und struktureller „falscher Freunde“, verwenden können.